GLAUBE

 

„Solches sehen und bedenken die Sophisten nicht; darum meinen sie, wir fechten um ein geringes Ding, wenn sie hören, dass wir vom Glauben lehren. Denn sie verstehen und wissen nicht, dass der Glaube eine Veränderung und Verneuerung ist der ganzen Natur; also dass Augen, Ohren und das Herz selbst ganz und gar anders hören, sehen und fühlen, denn andere Leute. Denn der Glaube ist ein lebendig und gewaltig Ding; er ist nicht ein schläfriger und fauler Gedanke, schwebt auch und schwimmt nicht oben auf dem Herzen, wie eine Gans auf dem Wasser, sondern ist wie Wasser, so durch Feuer erhitzt und erwärmt ist. Dasselbe, ob es wohl Wasser bleibt, so ist es doch nicht mehr kalt, sondern warm, und ist also gar ein ander Wasser: also macht der Glaube, der des Heiligen Geistes Werk ist, ein ander Herz, Gemüt und Sinn und macht also gar einen neuen Menschen. Darum ist der Glaube ein geschäftig, schwer und gewaltig Ding, und so man recht davon reden wollte, so ist er vielmehr ein Leiden, denn eine Wirkung. Denn er ändert Herz und Sinn; und da sich die Vernunft an das Gegenwärtige pflegt zu halten, da ergreift der Glaube die Dinge, so nirgend vor Augen scheinen; dieselben hält er wider alle Vernunft für gegenwärtig. Und ist dieses die Ursache, dass der Glaube nicht eines Jeden ist, wie das Gehör; denn Wenige sind gläubig, der größte Haufe aber hält sich viel mehr an gegenwärtige Dinge, die man fühlt und greift, denn an das Wort.“ (Martin Luther)

 

„Der Glaube ist das durch Gottes Wort gewirkte zuversichtliche Vertrauen auf Gottes Wort und insbesondere als rechtfertigender Glaube das Vertrauen auf die Zusage der Vergebung der Sünde in Christo.“ (Adolf Hoenecke)

 

„Der rechtfertigende Glaube ist „nicht eine bloße Erkenntnis der Historien von Christo, sondern eine solche Gabe Gottes, dadurch wir Christum, unsern Erlöser, im Wort des Evangelii recht erkennen, und auf ihn vertrauen, dass wir allein um seines Gehorsams willen, aus Gnaden, Vergebung der Sünden haben, für fromm und gerecht von Gott dem Vater gehalten, und ewig selig werden.“ (Conc. Form. Summ. Begr. Art. 3. zitiert nach L. Hutter)

 

„Was der Glaube sei? Drei Stücke gehören darzu, a. eine Wissenschaft desjenigen, was uns Gott, als zu unser Seligkeit nötig, geoffenbart hat… b. eine solche Beistimmung zu dem, das Gott offenbart, dass man nicht zweifelt, dasselbe sei die himmlische göttliche Wahrheit... c. ein rechtschaffenes Vertrauen zu Gott, dass ein Mensch insonderheit sich zu Gott unzweiflig versieht, alles dasjenige, dessen er sich gegen die Menschen gutes erklärt hat, werde auch ihm sowohl, als sonst einigem Menschen zur Seligkeit gereichen.“ (Nikolaus Hunnius)

 

„Was ist denn ein solcher Glaube, der da laut der Schrift gerecht macht? Einfältig kann mans gemeinen Leuten erklären: wir sollen allem Wort, das Gott gegeben und offenbaret hat, glauben; aber der Glaube, der da gerecht machet, hat ein eigenes, sonderliches objectum, das er in der ganzen Schrift suchet, das er ergreift, darauf er siehet, daran er sich hält, nämlich Christum, als unsern Mittler und Erlöser, und die Verheißung der Gnaden um Christus willen, Röm. 3 und 4, Gal. 3. An dasselbige objectum aber hält sich der Glaube also, dass er erstlich aus Gottes Wort erkennet die Person, Amt, Verdienst und Wohltaten Christi und die Verheißung der Gnaden um Christus willen, dass er das alles für wahr, fest und gewiss hält, Eph. 1 und 4. Kol. 2. – Zum andern ergreift der Glaube dies alles nicht schlecht wie eine Historie, oder dass es insgemein hin also wahr sei, sondern er fasset und schließt dich für deine Person insonderheit mit in die gemeine Verheißung, also dass du Christum mit allen seinen Wohltaten, so dir der Vater im Wort und Sakramenten vorstellet, reichet und gibt, mit herzlichem Begehr, Verlangen, Vertrauen und Zuversicht für deine Person ergreifest und annehmest und also dich daran hältst, dass du dein Vertrauen und Zuversicht, ob es gleich oft in schwerer Anfechtung und großer Schwachheit geschieht, darauf setzest, dass Gott dir für deine Person um Christus willen deine Sünde vergebe, dich zu Gnaden annehme und dich mache zu seinem Kinde und Erben des ewigen Lebens.“ (Martin Chemnitz)

 

„Der Glaube ist die herzliche Zuversicht eines Menschen, der in göttlicher Wirkung aus dem Wort die Wahrheit erkennet, die in demselben vorgetragenen evangelischen Verheißungen ihm selbst zueignet, sich gänzlich auf die Gnade und Barmherzigkeit Gottes aus Christi Verdienst verlässet, und darinnen seine Seligkeit erlangt und besitzet.“ (Philipp J. Spener)

 

„Die Gnadengabe des Glaubens, wodurch die Erwählten befähigt werden, zum Heil ihrer Seelen zu glauben, ist das Werk des Geistes Christi in ihren Herzen; nach der Ordnung Gottes bewirkt durch den Dienst des Wortes. Diese Gnadengabe wächst und wird gefestigt durch das Wort, durch Sakramentsverwaltung und Gebet.“ (Westminster Bekenntnis) 

 

„Der christliche Glaube ist nicht bloß eine Meinung oder menschliche Überzeugung, sondern ein felsenfestes Vertrauen, eine offenbare und beständige Zustimmung des Herzens und ein ganz gewisses Erfassen der Wahrheit Gottes, die in der Heiligen Schrift und im Apostolischen Glaubensbekenntnis dargelegt ist, ja Gottes selbst als des höchsten Gutes und besonders der göttlichen Verheißung, und Christi, der der Inbegriff aller Verheißungen ist. Dieser Glaube aber ist ganz und gar Gottes Gabe, die Gott allein um seiner Gnade willen und nach seinem Ermessen seinen Erwählten schenkt, wann, wem und in welchem Maße er will, und zwar durch den Heiligen Geist mittelst der Predigt des Evangeliums und des gläubigen Gebetes.“ (Heinrich Bullinger)

 

„Mir ist es bisher wegen angeborener Bosheit und Schwachheit unmöglich gewesen, den Forderungen Gottes zu genügen. Wenn ich nicht glauben darf, dass Gott mir um Christi willen dies täglich beweinte Zurückbleiben vergebe, so ist’s aus mit mir. Ich muss verzweifeln. Aber das laß‘ ich bleiben. Wie Judas an den Baum hängen, das tu‘ ich nicht. Ich hänge mich an den Hals oder Fuß Christi wie die Sünderin. Ob ich auch schlechter bin als diese, ich halte meinen Herrn fest. Dann spricht er zum Vater: Dieses Anhängsel muss auch durch. Es hat zwar nichts gehalten und alle deine Gebote übertreten. Vater, aber er hängt sich an mich. Was will’s! Ich starb auch für ihn. Laß ihn durchschlupfen. Das soll mein Glaube sein.“ (Martin Luther)

 

„Der Glaube ist aber nicht eine bloße Meinung und Bekenntnis, sondern eine lebendige und wirksame Ergreifung Christi, der sich im Evangelio uns darbietet; er ist die vollste Gewissheit von der Gnade Gottes, eine zuversichtliche Ruhe unsers Herzens und ein Friede, der auf Christi Verdienst sich gründet Hebr. 11,1. Dieser Glaube wird aus dem Samen des göttlichen Wortes geboren, denn der Glaube und der Geist sind eins, das Wort aber ist der Träger des heiligen Geistes. Die Frucht gleicht dem Wesen ihres Samens. Der Glaube ist eine göttliche Frucht, also muss auch göttlicher Same da sein, nämlich das Wort. Wie bei der Schöpfung das Licht durch das Wort Gottes entstand, denn Gott sprach, und es ward Licht 1 Mos. 1,3: so entspringt das Licht des Glaubens aus dem Lichte des göttlichen Wortes: in deinem Lichte sehen wir das Licht Ps. 36,10, spricht der Psalmist. Da der Glaube uns mit Christo verbindet, uns mit Christo vereiniget, darum ist er auch in uns die Mutter aller Tugenden: wo der Glaube, da ist Christus; wo Christus, da ist heiliges Leben, nämlich wahre Demut, wahre Sanftmut, wahre Liebe.“ (Johann Gerhard)

 

„So ist denn der Glaube eine Gabe Gottes, nicht weil er dem freien Willen des Menschen von Gott angeboten wird, sondern weil er dem Menschen wirklich geschenkt, eingegeben und eingeflößt wird; auch nicht deshalb, weil Gott nur die Fähigkeit zum Glauben erteilte und danach die Zustimmung oder das wirkliche Glauben von dem freien Willen des Menschen erwartete, sondern weil er, der das Wollen und das Vollbringen, ja, alles in allen, wirkt, in dem Menschen beides zustande bringt, den Willen, um zu glauben, und den Glauben selbst.“ (Lehrregel von Dordrecht)

 

„Nicht allein gibt der Glaube so viel, dass die Seele dem göttlichen Wort gleich wird, aller Gnaden voll, frei und selig, sondern vereinigt auch die Seele mit Christo als eine Braut mit ihrem Bräutigam. Aus welcher Ehe folgt, wie St. Paulus sagt Eph. 5,30., dass Christus und die Seele Ein Leib werden; so werden auch beider Güter, Fall, Unfall und alle Dinge gemein, dass, was Christus hat, das ist eigen der gläubigen Seele; was die Seele hat, wird eigen Christi. So hat Christus alle Güter und Seligkeit; die sind der Seele eigen. So hat die Seele alle Untugend und Sünde auf ihr; die werden Christi eigen. Hie hebt sich nun der fröhliche Wechsel und Streit. Dieweil Christus ist Gott und Mensch, welcher noch nie gesündigt hat, und seine Frömmigkeit unüberwindlich, ewig und allmächtig ist, so er denn der gläubigen Seele Sünde durch ihren Brautring, das ist der Glaube, ihm selbst eigen macht, und nicht anders tut, denn als hätte er sie getan; so müssen die Sünden in ihm verschlungen und ersäuft werden. Denn seine unüberwindliche Gerechtigkeit ist allen Sünden zu stark. Also wird die Seele von allen ihren Sünden lauterlich durch ihren Mahlschatz, das ist, des Glaubens halben ledig und frei, und begabt mit der ewigen Gerechtigkeit ihres Bräutigams Christi. Ist nun das nicht eine fröhliche Wirtschaft, da der reiche, edle, fromme Bräutigam Christus das arme, verachtete, böse Hürlein zur Ehe nimmt und sie entledigt von allem Übel, ziert mit allen Gütern? So ist's nicht möglich, dass die Sünde sie verdamme, denn sie liegen nun auf Christo, und sind in ihm verschlungen. So hat sie so eine reiche Gerechtigkeit in ihrem Bräutigam, dass sie abermals wider alle Sünde bestehen mag, ob sie schon auf ihr lägen. Davon sagt Paulus 1 Kor. 15,57.55.: „Gott sei Lob und Dank, der uns hat gegeben eine solche Überwindung in Christo Jesu, in welcher verschlungen ist der Tod mit der Sünde.“ (Martin Luther)

 

„Nachdem die Versöhnung mit Gott durch Christum ist zu Stande gebracht, indem er an Statt der Menschen das Gesetz erfüllt, und für die Sünde der Welt genug getan hat, wird von da an den Menschen das neue Heil gepredigt, und ihnen in demselben die Vergebung ihrer Sünden angeboten (…). Um derselben teilhaftig zu werden, bedarf es nun nicht noch eines Werkes von Seiten des Menschen, durch welches er sich dieselbe erst verdiente, denn Christus hat allein alles getan, was zur Erwerbung des Heils nötig war, sondern deß allein bedarf es, dass der Mensch das ihm dargebotene Heil in Empfang nehme, dass er die ihm gegebene Verheißung sich auch aneigne, und dies geschieht durch den Glauben. Zu diesem Glauben wird es aber nur dann kommen, wenn der Mensch, nachdem ihm das durch Christum erworbene Heil verkündet und angeboten ist, die Wahrheit des Vorhandenseins dieses Heils und dieser Verheißung, wie das Tröstliche, das für ihn darin liegt, erkennt und die Zuversicht zu fassen vermag, dass dieses Heil nicht etwa nur diesem oder jenem, sondern auch ihm zugedacht ist, denn eine fröhliche Botschaft kann dem Menschen doch nur dann nützen, wenn er an der Wahrheit derselben nicht zweifelt, sondern sich überzeugen kann, dass auch er damit gemeint ist.“ (Heinrich Schmid)

 

„Der Glaube ergreift Christum, den Sohn Gottes, mit allen seinen himmlischen Gnadenschätzen, sonderlich die Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden, den heiligen Geist, und alles, was Gottes ist, und das ewige Leben. Da können weder Sünde, Tod, Teufel, Hölle oder Welt einem solchen Menschen schaden, denn er hat Christum in sich und bei sich wohnend, der seine Gerechtigkeit ist wider die Sünde, sein Leben wider den Tod, seine Stärke wider den Teufel, sein Himmelreich wider die Hölle, sein Sieg wider die Welt, sein Segen wider aller Welt Fluch, seine Seligkeit wider alle Unseligkeit dieser Welt, seine Freiheit wider alle Menschensatzungen; welche der Herr Joh. 8,36. mit dem kurzen Sprüchlein begreift: So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. Also ist Christus dem Glauben alles, und er bedarf nichts mehr zur Seligkeit, als Christum alleine. Derowegen gibt der Glaube der Seele und dem Gewissen Ruhe, Friede, Freiheit und vertreibet alle Furcht, Angst und Schrecken und macht das Herz in Gott getrost und freudig.“ (Johann Arndt)

 

„Was gehört denn dazu, dass Christus mit seinem Verdienst unser werde? Zweierlei; erstlich, dass uns Gott dasselbe vortrage, anbiete, reiche, schenke und gebe durch seinen Geist. Und dazu hat Gott ein sonderlich Mittel oder Werkzeug verordnet, nämlich das Wort des Evangelii und die Sakramente, das ist Gottes seine gnädige, milde Hand, welche er zu uns ausstrecket und auftut, dadurch uns vorträgt, reichet und gibt die Verdienste und Wohltaten seines Sohnes zu unserer Seligkeit. Röm. 10. 2 Kor. 5. Tit. 3. Zum andern gehöret dazu, dass wir dasselbige ergreifen, an und zu uns nehmen und das applizieren. Und das geschieht durch den Glauben, Röm. 1. 3. 4. Joh. 3. Gal. 3; denn der Glaube ist gleichwie unsere Hand, dadurch wir als dürftige Bettler Christi Wohltaten zu uns nehmen, Joh. 1, und ist das Band, dadurch Christus in uns wohnet, Eph. 3, und wir in ihm gefunden werden, Phil. 3.“ (Martin Chemnitz)