WILLENSFREIHEIT

 

„Was belanget weltliche und äußerliche Sachen, Zucht und Ehrbarkeit, kann und vermag der Mensch etwas mit seinen natürlichen Kräften … Was aber belanget geistliche Sachen und Händel, als, was zur ganzen Bekehrung des Menschen gehöret, Buße, Glauben, neuen Gehorsam und was dem anhängig ist, anzufangen, zuwege zu bringen, zu tun und verrichten, rechtschaffen und also, wie Gottes Wort dasselbige fordert, da hat der natürliche Mensch von ihm selbst aus der ersten Geburt, wie er ist ohne Erneuerung des H. Geistes, gar keine Kräfte und Vermögen zu, ja ist demselbigen entgegen und zuwider.“ (Martin Chemnitz)

 

„In seinem Stand der Unschuld besaß der Mensch die Freiheit und Kraft, das zu wollen und zu tun, was gut und wohlgefällig vor Gott ist; dies jedoch veränderlich, sodass die Möglichkeit gegeben war, auch davon abzufallen. Durch seinen Fall in den Stand der Sünde hat der Mensch alle mit seiner Erlösung verbundene Fähigkeit verloren, das geistlich Gute zu wollen. Deshalb ist der natürliche, völlig von diesem Guten abgewandte, in Sünden tote Mensch unfähig, sich durch eigene Kraft selbst zu bekehren oder sich selbst darauf vorzubereiten.“ (Westminster Bekenntnis)

 

„Vom freien Willen wird gelehrt, dass der Mensch in gewisser Weise einen freien Willen hat, nämlich äußerlich ehrbar zu leben und unter den Dingen zu wählen, die [dem Urteil] der Vernunft zugänglich sind. Aber der Mensch vermag nicht, ohne die Gnade, Hilfe und das Wirken des Heiligen Geistes Gott wohlgefällig zu werden, Gott von Herzen zu fürchten oder zu glauben und die angeborenen bösen Lüste aus dem Herzen zu werfen. Solches geschieht vielmehr durch den Heiligen Geist, der durch Gottes Wort gegeben wird.“ (Confessio Augustana)

 

„Wenn Gott vorhergewusst hat, dass Judas der Verräter sein werde, so wurde Judas mit Notwendigkeit der Verräter, und es war nicht in der Hand des Judas oder irgend einer Kreatur, es anders zu machen oder den Willen zu ändern, wiewohl er dies, indem er es wollte, nicht gezwungen tat, aber jenes Wollen war das Werk Gottes, welches seine Allmacht bewegte, wie auch alles Andere. Denn es steht unüberwindlich und deutlich der Spruch da (Hebr. 6,18.): „Gott lügt nicht“ und fehlt auch nicht. Hier sind nicht dunkle oder zweifelhafte Worte, wenngleich die gelehrtesten Männer aller Jahrhunderte allesamt blind sein sollten, so dass sie anders hielten und sagten. Und solltest du auch viele Ausflüchte machen, so wird doch dein und aller Gewissen, überführt, gezwungen so zu sagen: Wenn Gott nicht fehlt in dem, was er vorherweiß, so ist es notwendig, dass gerade das Vorhergewusste geschehe, denn wer könnte sonst seinen Verheißungen glauben, wer seine Drohungen fürchten, wenn nicht notwendiger Weise folgt, was er verheißt oder droht, oder wie sollte er verheißen oder drohen, wenn sein Vorherwissen trügt oder durch unsere Veränderlichkeit gehindert werden kann? Es verstopft dieses überaus helle Licht der gewissen Wahrheit völlig den Mund aller, löst alle Fragen auf und hat den Sieg erlangt wider alle spitzfindigen Ausflüchte. Wir wissen freilich, dass das Vorherwissen der Menschen irrt, wir wissen, dass eine Sonnenfinsternis nicht um deß willen kommt, weil man sie vorherweiß, sondern dass man sie darum vorherweiß, weil sie kommen wird. Was haben wir mit diesem Vorherwissen zu tun? Wir disputieren von dem Vorherwissen Gottes; wenn du diesem nicht zuschreibst, dass das Vorhergewusste notwendig gewirkt werde, so hast du schon den Glauben und die Furcht Gottes weggenommen, hast alle göttlichen Verheißungen und Drohungen wankend gemacht und sogar die Gottheit selbst geleugnet.“ (Martin Luther)

 

„Denn man soll frei daran verzweifeln, dass jemand einen guten Willen, gute Meinung, guten Vorsatz habe oder machen möge. Denn, wie oben gesagt, da ist allererst ein guter Wille, da kein Wille ist. Denn wo kein Wille ist, da ist allein Gottes Wille, der allerbeste. Darum wissen solche Kläffer viel, was böser oder guter Wille ist, und fahren frei einhin, und machen, dass wir mit dem Munde sprechen: „Dein Wille geschehe“; mit dem Herzen aber: „Mein Wille geschehe“, und also Gott und uns selbst spotten. So spricht man: Ei, hat uns doch Gott einen freien Willen gegeben. Antwort: Ja, freilich hat er dir einen freien Willen gegeben; warum willst du ihn denn machen zu einem eigenen Willen, und lässt ihn nicht frei bleiben? Wenn du damit tust, was du willst, so ist er nicht frei, sondern dein eigen. Gott aber hat dir, noch niemand einen eigenen Willen gegeben; denn der eigene Wille kommt vom Teufel und Adam, die haben ihren freien Willen, von Gott empfangen, ihnen selbst zu eigen gemacht. Denn ein freier Wille ist, der nichts Eigenes will, sondern allein auf Gottes Willen schauet, dadurch er denn auch frei bleibt, nirgend anhangend oder anklebend.“ (Martin Luther)